Der Start auf der Place du Général de Gaulle in Digne-les-Bains war um eine Stunde nach hinten verschoben worden, auf 01.00 Uhr in der Nacht zum Dienstag. Denn heftige Regenschauer hatten am Abend dafür gesorgt, dass bei der Nachtfahrt eine „Sauerei“ drohte. Der Versuch, möglichst viele Höhenmeter in 48 Stunden zu sammeln, endet also um 01.00 Uhr in der Nacht zum Donnerstag.
Das sollte aber das einzige Problem bleiben, neben einer Sturzscharte am Knie, weil an der Bonette ein Wohnmobil nicht ausweichen wollte. Plus, eventuell, dass am Col de Cayolle kein Parkplatz für das Begleitfahrzeug zu kriegen war, so dass das obligatorische Passbild nicht geschossen werden konnte. Nachdem er sie am Starttag noch nicht für nötig erachtet hatte, packte Guido Kunze die Xenofit-Energiedrinks ein. Schon am Starttag war er voll des Lobs gewesen für das Ghost-Carbonrad, dass ihm wie auf den Leib gschnitten ist, obschon er keine intensive Zeit des Einfahrens einschieben konnte. Auch der neue Tune-Sattel, sagt Guido, passt zu ihm wie Baum und Borke.
So schnurrte er denn mitten in der provenzalischen Nacht den Col du Labouret (Beginn auf ca. 600 m auf 1200 m) und den Col du Fanget (ca. 1050 m auf 1580 m) als Appetithappen ab und setzte dann achterbahngleich die drei großen der französischen Seealpen hintereinander, alle mit Passanfahrten um 20 km: Col d'Allos (ca. 1100 auf 2280 m), Col de la Cayolle (ca. 900 auf ca. 2330 m) und Cime de la Bonette (ca. 1300 auf ca. 2800 m) hintereinander. Zwischen die ersten beiden legte er noch den wohl unbekanntesten von allen, vielleicht landschaftlich aber reizvollsten, Col des Champs ab Colmars im Val d'Allos (ca. 1200 auf 2080 m), der jedoch das gesamte fahrerische Können von Nico Schmidt erforderte, ist die Straße doch manchmal kaum breiter als das Moos-Mobil des Teams und voller Haarnadeln.
Den ganzen Tag über bewegte sich Guido an dem optimistischsten Schnitt und sammelte bis zur Veröffentlichung dieser Zeilen, nach der Querung der Cime de la Bonettem knapp 7000 hm. Weitere rd, 5500 hm sollen noch hinzukommen, bevor der zweite 48-Stunden-Versuch-Tag angegangen wird. Obwohl er sein Pensum herunterschnurrte, als sei nichts, ist der Zeitplan eng. Zeitverluste, an die niemand bei der Planung gedacht hatte, sind dem allgemeinen Trubel auf fast allen Pässen in der Höchstsaison geschuldet, aber auch unerwartet vielen Zwischenhalten zum Wechseln von Heiß- auf Kaltkleidung, da durch viele Sommerwolken und Wind sich heftige Sonnenhitze und unangenehme Kühle dauernd abwechseln. Noch ist der Guinness-Rekord für die meisten Höhenmeter in 48 Stunden in Reichweite. Selbst wenn Guido Kunze allerdings knapp daneben liegen sollte, hat er bereits so viele Höhenmeter gesammelt, dass nur noch ein schwerer Wintereinbruch oder eine Verletzung ihn um den Kumul von 100 000 hm insgesamt bringen könnten.
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