Guido ist am Ziel, am doppelten Ziel genau genommen. Die eigentliche Mauerstrecke nahm am frühen Nachmittag ihren geplanten Abschluss am touristischsten Abschnitt, Badaling. Es wiederholte sich das bereits gestern von Mutianyu Berichtete. Insofern kann Badaling schnell abgehandelt werden. Beeindruckend als Bauwerk. Beeindruckend professionell vermarktet. Nicht ideal zum Laufen oder gar Radfahren, der Touristen und der Denkmalgesetzeshüter wegen. Zuvor aber waren auch die letzten Mountainbike-Kilometer auf der Mauer zurückgelegt worden. Schwierigstes Gelände hatte Guido da schon hinter sich gelassen, auf dem Rad und per pedes. Am letzten Tag passierte der so lange befürchtete Unfall, der sich in viel halsbrecherischem Terrain eben zum Glück nicht ereignet hatte. Mitsamt Rad segelte Guido von der Mauer, glücklicherweise nicht allzu tief. Das Rad blieb heil, Guido so ziemlich auch. Nach dem Knöchel zu Projektmitte erwischte es nun das Knie, aber wie beim Knöchel scheinen es sämtliche Bänder überlebt zu haben. In dem Wissen, so gut wie am Ziel zu sein, machte das verkraftbare Malheur aber gar nichts.

Foto: Christian Habel – Geschafft; zurück von der Ehrenrund im „Vogelnest“

Foto: Christian Habel – Geschafft; zurück von der Ehrenrund im „Vogelnest“

Das zweite Ziel wurde nach einem auf andere Weise halsbrecherischen Transfer erreicht. Unsere chinesischen Begleiter hatten eindringlich davor gewarnt, wie geplant mit dem Rad die rd. 60 km von Badaling bis zum „Vogelnest“ zurückzulegen, dem Nationalstadion in Peking, in dem die Olympischen Spiele 2008 stattfanden. Diesmal richtete sich Guido danach, und im Auto auf dem Weg nach Peking wurde klar, dass es in der Tat an Selbstmord grenzt, auf diesen achtspurigen Straßen im wilden Verkehr mit dem Rad unterwegs sein zu wollen. Die Ehrenrunde – als solche empfand er sie sichtlich – auf der Bahn im „Vogelnest“ ließ er sich dann doch nicht nehmen. Wieder einmal stellten sich diskussionwürdige Probleme ein, als der erste Aufpasser uns, einschließlich der chinesischen Begleiter, auf dem Weg in den Innenraum sah. Statt lange zu diskutieren, drückte Guido ihm kurzerhand das Rad in die Hand und verschwand zur Ehrenrunde.

Weil so vieles anders war, als wir es geplant hatten, fällt es direkt nach Abschluss schwer, einzuschätzen, was Guido da geleistet hat. Außergewöhnlich war es in jedem Fall. Gerade in seinen Irrungen und Wirrungen im Vorfeld, dauernd wechselnden Tagesplänen in der Durchführung verdient es auch das Etikett „unvergesslich“ – zumindest bei denen, die dabei waren. Aber dank der aus dem vielen, vielen Rohmaterial entstehenden Dokumentationen wird das Projekt schließlich dazu beitragen, eines der großen Kulturerben der Menschheit in Europa aus neuen Blickwinkeln bekannt zu machen. Und vielleicht auch in China, denn ersichtlich waren auch die chinesischen Journalisten, die das Projekt begleiteten, an einigen nun von Guido bezwungenen Mauerabschnitten noch nie gewesen. Auch am Nationalstadion war wieder chinesisches Fernsehen aufgeboten.

Foto: Christian Habel – Die Unentwegten in Guidos Tross: v.l.n.r. Christopher Landerer, Guido Kunze, Rolf Müller, Marvin, Melvin und Gaby Laupichler, Christian Habel

Foto: Christian Habel – Die Unentwegten in Guidos Tross: v.l.n.r. Christopher Landerer, Guido Kunze, Rolf Müller, Marvin, Melvin und Gaby Laupichler, Christian Habel

Schließlich dürfte nun auch der eine oder andere Chinese mit den Namen Mühlhausen oder Thüringen etwas anfangen können, der bislang nicht einmal genau wusste, ob Deutschland Stadt, Land oder Fluss ist. Großer Dank geht an alle, die auf unterschiedlichste Weise dazu beigetragen haben, dass das möglich wurde.

Zaijian, Marco.

© Text und Bild Guido Kunze, Christian Habel, Marco Rühl.